Aufputschmittel Pervitin

Im Zweiten Weltkrieg setzte die deutsche Wehrmacht das Methamphetamin-Aufputschmittel Pervitin ein, damit Soldaten tagelang marschieren und kämpfen konnten. Das Deutschlandmuseum zeigt dazu in seiner Ausstellung ein originales Pillenröllchen aus jener Zeit. Heute ist die Droge unter dem Namen Crystal Meth bekannt.

Entwicklung und Wirkung von Pervitin

Japanische Chemiker synthetisierten den Wirkstoff Methamphetamin erstmals Ende des 19. Jahrhunderts. 1937 ließ sich das pharmazeutische Unternehmen Temmler ein neu entwickeltes Verfahren zur Herstellung von Methamphetamin patentieren. Ab 1938 erschien das Aufputschmittel unter dem Namen Pervitin auf den Markt. Die Werbung pries es als harmloses Medikament gegen Beschwerden verschiedener Art an.

Methamphetamin unterdrückt Müdigkeits- und Hungerfühle sowie Angst oder Stress, man fühlt sich euphorisch und selbstsicher. Allerdings haben diese Wirkungen ihren Preis: Das Aufputschmittel macht abhängig und kann zudem zu Kreislaufproblemen, Depressionen und Wahnvorstellungen führen.

Pervitin erfreute sich rasch in unterschiedlichsten Bevölkerungskreisen großer Beliebtheit, von Studenten im Prüfungsstress über ambitionierte Manager bis hin zu deprimierten Hausfrauen. Für letztere gab es Pervitin in Pralinenform als Hausfrauenschokolade. Als immer mehr Konsumenten über Nebenwirkungen klagten, wurde Pervitin ab 1941 rezeptpflichtig.

Werbeplakat Pervitin

Werbung für das Aufputschmittel Pervitin aus den 1940er-Jahren

Aufputschmittel in den Blitzkriegen

Berühmt wurde Pervitin vor allem durch seinen massenhaften Einsatz in den als Blitzkriege bekannten deutschen Feldzügen gegen Polen und Frankreich. Millionen von Tabletten wurden damals an die deutschen Soldaten ausgegeben. An der Front erhielt das Aufputschmittel Spitznamen wie Stuka-Tabletten (Stuka war die Abkürzung von Sturzkampfbomber), Hermann-Göring-Pillen (Göring fungierte unter anderem als Oberbefehlshaber der Luftwaffe), Panzerschokolade oder Fliegermarzipan.

Die üblichste Form war die Darreichung in Tabletten aus einem Pillenröhrchen, wie es in der Ausstellung des Deutschlandmuseums zu sehen ist. Es beinhaltet 30 Tabletten à 0,003 mg Methamphetamin. Laut Empfehlung sollten, sofern nicht anders verordnet, zwei bis vier dieser Tabletten täglich eingenommen werden. Je nach Dosis hielt die Wirkung bis zu elf Stunden an.

Gewaltmärsche Deutsche Truppen in Frankreich 1940

Durch Pervitin ermöglichte tagelange Gewaltmärsche: Deutsche Truppen in Frankreich 1940 (Quelle: Bundesarchiv, Bild 146-1981-060-03 / Bauer / CC-BY-SA 3.0)

Mit Hilfe der Droge ließ sich tagelang marschieren und kämpfen, ohne rasten oder essen zu müssen. Trotz aller Strapazen blieben die Soldaten dabei euphorisch und optimistisch, denn Pervitin unterdrückte auch das Schmerzempfinden – die ideale Voraussetzung für die ambitionierten deutschen Eroberungspläne. 

Aufgrund der erwähnten Nebenwirkungen verursachte Pervitin aber auch Todesfälle im eigenen Lager: Paranoide Soldaten erschossen sich selbst oder ihre Kameraden, etliche starben an Herzversagen. Viele Soldaten wurden abhängig von dem Aufputschmittel, unter anderem der spätere Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll.

Methamphetamin-Nutzung bis in die Gegenwart

Sowohl im zivilen wie im militärischen Bereich fand Pervitin auch nach dem Zweiten Weltkrieg Anwendung. Bis in die 1970er-Jahre bevorrateten Streitkräfte in Ost- und Westdeutschland das Aufputschmittel für den Kriegsfall. US-Einheiten nutzten es im Vietnamkrieg. Bis 1988 gab es Pervitin als verschreibungspflichtiges Arzneimittel in deutschen Apotheken zu kaufen – der ehemalige Bundeskanzler Konrad Adenauer nahm es in den 1960er-Jahren regelmäßig ein.

Heutzutage erfreut sich Methamphetamin weltweit als illegal in Kristallform produzierte Partydroge großer Beliebtheit. Neben dem Verhindern von Erschöpfungszuständen nutzen die Partygänger das Aufputschmittel, weil es zusätzlich das Mitteilungsbedürfnis sowie das sexuelle Verlangen steigert. 

In Anlehnung an den Wirkstoffnamen und das Aussehen ist die Bezeichnung Crystal Meth am gebräuchlichsten. Doch der Bezug zur deutschen Geschichte ist auch in der Gegenwart nie vollständig verloren gegangen, was durch weitere Szenebezeichnungen wie Nazi-Crank oder Hitler-Speed deutlich wird.

Objektinfos

Bezeichnung
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Exponat im Museum

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