Der Schuhmacher Friedrich Voigt wurde als Hochstapler weltbekannt
Der aus Tilsit in Ostpreußen stammende Schuhmacher Friedrich Wilhelm Voigt war bereits erstmals mit 14, später noch mehrfach wegen Diebstahls und Urkundenfälschung zu Gefängnisstrafen verurteilt worden. Für den Versuch, eine Gerichtskasse aufzubrechen, musste er schließlich eine 15-jährige Zuchthausstrafe absitzen. Nach seiner Entlassung wollte sich der mittlerweile 56-Jährige in Wismar, dann in Berlin niederlassen, erhielt aber wegen seiner Vorstrafen jeweils keine Aufenthaltsgenehmigung. In Berlin tauchte er nach dem negativen Bescheid unter und arbeitete eine Zeitlang in einer Schuhfabrik, hatte als Illegaler jedoch kaum Chancen auf eine längere Beschäftigung. In dieser fast aussichtslosen Lage bereitete er einen verwegenen Coup vor, indem er sich verschiedene Uniformteile besorgte.
Am 16. Oktober 1906 erschien Voigt in der Uniform eines Hauptmanns im Norden Berlins und unterstellte einen Trupp von Soldaten seinem Kommando. Gemeinsam fuhren sie mit der Stadtbahn in die damals noch nicht zu Berlin gehörige Stadt Köpenick. Dort ließ er die Männer das Rathaus besetzen und den Bürgermeister und weitere Stadtbedienstete „im Namen Seiner Majestät“ verhaften. Auf der Straße unterstützten Polizisten die vermeintliche Militäraktion, indem sie die Umgebung abriegelten. Voigt ließ sich die Stadtkasse bringen und das darin befindliche Geld gegen Quittung aushändigen. Nachdem er den Soldaten befohlen hatte, die Kontrolle über das Rathaus aufrechtzuerhalten, ging er selbst an zahlreichen Schaulustigen vorbei zum Bahnhof. Er entschwand, nachdem er sich ein schnelles Bier genehmigt hatte, im Zug nach Berlin. Dort ließ er seine Verkleidung verschwinden und kam in einem neuen Quartier unter. Eineinhalb Wochen später wurde Voigt verhaftet und später zu vergleichsweise milden vier Jahren Gefängnis verurteilt, nach knapp zwei Jahren aber vom Kaiser begnadigt. Wilhelm II. war über den Vorgang sehr amüsiert gewesen und hatte Voigt gar als „genialen Kerl“ bezeichnet. Ganz Deutschland hatte über den Streich gelacht, zum Prozess waren Journalisten aus aller Welt angereist. Die Tat Voigts illustrierte schlagkräftig den Militarismus und Untertanengeist des preußisch-deutschen Obrigkeitsstaates. Nach der Entlassung nutzte Voigt seine auch im Ausland gewonnene Popularität: Er zog nach Luxemburg, wo er es sogar zu einem gewissen Wohlstand brachte. Fünfzehn Jahre nach seiner „Köpenickiade“ starb er mit 72 Jahren.

Über das Deutschlandmuseum
Ein immersives und innovatives Erlebnismuseum über 2000 Jahre deutscher Geschichte
Das ganze Jahr im Überblick































