Der Entzug der Staatsbürgerschaft schlägt in der DDR hohe Wellen
Im nationalsozialistischen Deutschland wurden insgesamt knapp 40 000 Personen ausgebürgert. Juden behielten nach den Nürnberger Gesetzen von 1935 zwar die deutsche Staatsbürgerschaft, waren rechtlich aber keine gleichberechtigten Staatsbürger mehr. 1941 verloren sie beim Verlassen des Landes die Staatsbürgerschaft, unabhängig davon, ob sie emigrierten oder deportiert wurden. Wegen dieser Erfahrungen war und ist in der Bundesrepublik der Entzug der Staatsbürgerschaft nicht möglich. Man kann sie jedoch verlieren, wenn man ohne Genehmigung eine andere Staatsbürgerschaft erwirbt oder in die Streitkräfte eines anderen Staates eintritt. Zudem kann eine auf falsche Angaben erfolgte Einbürgerung widerrufen werden. Im Unterschied dazu konnte die Staatsbürgerschaft in der DDR nach dem Staatsbürgerschaftsgesetz entzogen werden, wenn man sich einen Wohnsitz außerhalb der DDR genommen hatte.
Der in Hamburg geborene Wolf Biermann siedelte 1953 als 16-Jähriger aus der Bundesrepublik nach Ost-Berlin über und lebte dort jahrelang im Einklang mit Staat und System. Ab Anfang der 1960er-Jahre wurden seine Texte als Liedermacher und Lyriker zunehmend negativ gesehen und er erhielt ein Auftritts- und Veröffentlichungsverbot in der DDR. Deshalb erschienen mehrere Bücher und Schallplatten in Westdeutschland. Während einer Konzertreise durch die BRD äußerte Biermann sich kritisch über die DDR. Am 16. November 1976 ließ das Politbüro einen Ausbürgerungsbeschluss für Biermann wegen „grober Verletzung der staatsbürgerlichen Pflichten“ bekanntgeben, womit eine Wiedereinreise unmöglich wurde. Prominente Regimekritiker und Schriftsteller der DDR verfassten umgehend einen „Offenen Brief“. Mit dem Hinweis auf das Marx-Zitat: „Proletarische Revolutionen … kritisieren sich ständig selbst“ baten sie vergeblich um Rücknahme des Beschlusses. Gegen etliche Unterzeichner wurde mit Hausarrest oder Verhaftung vorgegangen. Zahlreiche kritische Künstler wurden abgeschoben oder kehrten nach diesen Vorgängen von sich aus der DDR den Rücken. Es war ein bedeutender politischer Wendepunkt, indem es einen „kulturellen Exodus“ auslöste und für manche den Anfang vom Ende der DDR markierte.
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