Wegen des Arbeitskräftemangels wirbt die Bundesrepublik um türkische „Gastarbeiter“
Das starke Wirtschaftswachstum der „Wirtschaftswunder“-Zeit führte seit Mitte der 1950er-Jahre in der westdeutschen Wirtschaft zu einem Mangel an Arbeitskräften. Wegen der herrschenden Vollbeschäftigung schloss die Bundesrepublik deshalb Anwerbeabkommen mit Italien, Spanien und Griechenland. Die Situation verbesserte sich trotzdem nicht: Aufgrund der geburtenschwachen Jahrgänge der Kriegsgeneration gab es weniger Berufsanfänger als sonst, gleichzeitig sank das Renteneintrittsalter. Dazu begann die Einführung der 40-Stunden-Woche und die im Aufbau befindliche Bundeswehr benötigte Personal. So suchte man weiter anderswo nach Arbeitskräften, zumal nach dem Mauerbau auch der Zustrom der DDR-Flüchtlinge versiegte. Der NATO-Partner Türkei hatte das umgekehrte Problem wie die Bundesrepublik: Wegen des hohen Bevölkerungswachstums stiegen hier seit Jahren die Arbeitslosenzahlen, und dieses Problem wollte Ankara entschärfen.
So wurde am 30. Oktober 1961 das Anwerbeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei geschlossen. Für den Arbeitsaufenthalt in Westdeutschland wurde ein „Rotationssystem“ beschlossen: Die „Gastarbeiter“ sollten nach zwei Jahren in die Heimat zurückkehren und durch andere ersetzt werden. Auch ein Familiennachzug war nicht vorgesehen. Das Ganze stellte sich allerdings als realitätsfern heraus, denn die Unternehmen wollten die Arbeitskräfte nach ihrer Ausbildung nicht gleich wieder gehen lassen. Deshalb wurden Rotationsprinzip und Verbot des Familiennachzugs nach wenigen Jahren wieder aufgehoben. Als während der Ölkrise 1973 die Bundesrepublik dann einen allgemeinen Anwerbestopp anordnete, entschieden sich die meisten der mittlerweile 600 000 Türken in Deutschland für das Bleiben und damit letztlich oft für eine dauerhafte Einwanderung. Auch in der DDR gab es ausländische Arbeitskräfte, die „Vertragsarbeiter“. Diese kamen in der Regel aus sozialistischen „Bruderstaaten“ wie Vietnam oder Mosambik.
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