Das Ende der Leibeigenschaft und andere grundlegende Reformen verändern Preußen
Preußen stand nach der verheerenden Niederlage von Jena und Auerstedt 1806 gegen Napoleon vor dem Zusammenbruch: Das Land und seine Hauptstadt Berlin waren von französischen Truppen besetzt, im Frieden von Tilsit musste Preußen die Hälfte seines Territoriums abgeben. In dieser Situation sah sich der nach Memel am äußersten Rand seines Reichs geflohene König Friedrich Wilhelm III. gezwungen, einem umfangreichen Reformprogramm zuzustimmen. Für dieses waren vor allem die Minister von Stein und von Hardenberg verantwortlich, die eine Art „Revolution von oben“ starteten. Das Oktoberedikt vom 9. Oktober 1807 bedeutete das Ende der Ständeordnung: Die Bauern wurden aus der Leibeigenschaft entlassen, Landgüter durften frei ver- und gekauft werden, die freie Berufswahl bzw. die Gewerbefreiheit wurden weitgehend erlaubt, wesentliche Privilegien der Zünfte dadurch abgebaut.
Die Leibeigenschaft spielte zu dieser Zeit in weiten Teilen Mittel- und Süddeutschlands keine entscheidende, vor allem oft nur noch finanzielle Rolle – im durchgehend ländlich geprägten Bayern z. B. machten Ende des 18. Jahrhunderts Leibeigene wohl nur noch zwei Prozent der Bevölkerung aus. Dagegen hatten auf den großenteils in Preußen liegenden ostelbischen Gütern die adligen „Junker“ noch fast allein das Sagen: Sie übten die Gerichtsbarkeit und die Polizeigewalt aus, die erbuntertänigen Bauern mussten auf den herrschaftlichen Gütern arbeiten, zusätzlich Abgaben leisten sowie etwa für eine Eheschließung die Erlaubnis des Gutsherrn einholen. Mit dem Oktoberedikt und weiteren Reformen änderte sich das grundlegend, auch wenn die Maßnahmen für die Landbevölkerung letztlich nicht nur Vorteile brachten. Insgesamt schafften die Stein-Hardenbergschen Reformen jedoch wesentliche Grundlagen für den Wandel Preußens. Es konnte sich von einem absolutistischen Stände- und Agrarstaat zu einem National- und Industriestaat des 19. Jahrhunderts entwickeln.
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