Die Millionenstadt soll ausgehungert werden
Nachdem die Wehrmacht während des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion bis nach Leningrad (heute: Sankt Petersburg) vorgestoßen war, gelang es ihr am 8. September 1944, die Stadt an der Ostsee von der Verbindung zum Rest des Landes weitgehend abzuschneiden. Statt wie eigentlich vorgesehen die Millionenmetropole zu erobern, versuchten die deutschen Truppen alle Lebensmittellieferungen in die Stadt zu blockieren – Hitlers Ziel war es jetzt, die Bevölkerung systematisch verhungern zu lassen. Wahrscheinlich gab es mehrere Gründe. Der „Führer“ wollte die Stadt ohne das Risiko hoher eigener Verluste in die Hände bekommen. Sie stellte für ihn das Zentrum des verhassten sowjetischen Kommunismus dar, das „vom Erdboden verschwinden“ müsse. Dazu könnten Pläne der Nazis zur „Germanisierung“ Osteuropas eine Rolle gespielt haben: eine Besiedlung durch deutsche „Wehrbauern“ bei gleichzeitiger Deindustrialisierung und Vertreibung oder Beseitigung eines großen Teils der Bevölkerung. Mit einem solchen „Vernichtungskrieg“ ließ sich der „Hungerkrieg“ gut verbinden und erleichterte zudem die Versorgung der Wehrmacht aus dem Land selbst. Die Armeeführung sah das nicht anders, wie eine auf Leningrad bezogene Anweisung belegt: „Ein Interesse an der Erhaltung auch nur eines Teils dieser großstädtischen Bevölkerung besteht (…) unsererseits nicht.“
Durch die Blockade verschlechterte sich die Lage für die zweieinhalb Millionen Einwohner Leningrads in kürzester Zeit. Lebensmittel wurden rationiert, die zugeteilten Mengen in kurzem Abstand immer geringer. Die Menschen aßen mit Kiefernnadeln oder Sägemehl gestrecktes Brot, kochten Leim oder kauten Leder, auch Fälle von Kannibalismus kamen vor. Immer mehr Leningrader erlagen dem Hunger, zumal sie im Winter eisige Minustemperaturen von bis zu – 40 °C ertragen mussten. Bald türmten sich Leichenberge an den Straßenrändern, denn in den gefrorenen Böden konnte man niemanden begraben. Über den zugefrorenen Ladogasee gelangten zwar Lieferungen in die Stadt, aber wegen des Beschusses durch die Wehrmacht viel zu wenige. Als die Belagerung nach 872 Tagen im Januar 1944 durch sowjetische Vorstöße ihr Ende fand, waren wohl über eine Million Zivilisten gestorben.

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