An der Westfront machen deutsche und englische Soldaten eine Kampfpause
Zu Beginn des Ersten Weltkriegs Anfang September 1914 gingen viele Soldaten beider Seiten von einem kurzen Krieg und einem schnellen eigenen Sieg aus und vertrauten darauf, an Weihnachten wieder zu Hause zu sein. Der bald aufgekommene Stellungskrieg, bei dem sich an der Westfront die Gegner in Schützengräben und ohne echte Aussicht auf baldige Veränderungen gegenüberlagen, belehrte sie eines Besseren. Die durch die andauernden Kämpfe in schlammigen oder vereisten Gräben erschöpften Soldaten wussten wohl meist vom Vorschlag des Papstes, am „Fest der Nächstenliebe“ eine Waffenruhe einzulegen. Bereits vorher hatten an der Front die Waffen kurzzeitig geschwiegen, um Verletzte oder Gefallene bergen zu können. Jetzt brachten die eingetroffenen Weihnachtsgeschenke eine freudige Abwechslung in den ansonsten trostlosen Alltag der Soldaten. Vor allem am 24. Dezember 1914 kam es insbesondere zwischen Deutschen und Briten an einzelnen Frontabschnitten in Flandern zur Kontaktaufnahme mit dem oft weniger als hundert Meter entfernten Gegner. Man machte z.B. aus, beim Singen von Weihnachtsliedern nicht zu schießen, teils wurden sogar von Offizieren Schießverbote ausgesprochen. An einem Ort veranstalteten die Soldaten einen gemeinsamen Gottesdienst in deutscher und englischer Sprache. Tabak wurde ausgetauscht, einmal auch Bier und Pudding, auch zeigte man sich Familienfotos. Ob es, wie oft behauptet, irgendwo tatsächlich ein Fußballspiel gab, lässt sich nicht zweifelsfrei nachweisen – mindestens ein eher unorganisiertes Gekicke gilt jedoch als wahrscheinlich. An der „Verbrüderung“ der gegnerischen Truppen nahmen insgesamt etwa 100 000 Soldaten teil, betroffen war also wohl nur ein kleiner Teil der Truppen an der Westfront und nur wenige Franzosen oder Belgier.
Die von weiter von oben nicht genehmigten Kampfpausen endeten zumeist spätestens am 26. Dezember, dann wurde wieder geschossen. Es gab kein disziplinarisches Nachspiel für die Kampfunterbrechung. Weihnachten 1914 blieb aber eine Ausnahme, im folgenden Jahr unterband man Wiederholungsversuche unter Androhung von Kriegsgerichtsverfahren. Ein deutscher Soldat, der an seine Eltern geschrieben hatte: „Weihnachten 1914 wird mir unvergesslich sein“, überlebte die folgenden vier Jahren genauso wenig wie insgesamt mehr als neun Millionen andere. Ein überlebender Brite sagte später vor dem Parlament in London, dass die Soldaten „wohl niemals wieder zu den Waffen gegriffen hätten, wäre es nach ihnen gegangen.“
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