Der mächtigste Herrscher Europas bekommt eine Rangerhöhung
Der fränkische König Karl vergrößerte zielstrebig das Frankenreich, indem er sich gegen die Langobarden in Italien, verschiedene Gegner im Osten und nach langen Kämpfen auch gegen die Sachsen durchsetzte. Die Pyrenäen sicherten sein Reich im Südwesten gegenüber den Mauren. Nach dem Tod seines Bruders war Karl Alleinherrscher des Frankenreichs, das unter ihm seine größte Ausdehnung erlangt hatte. Karl war der mächtigste Mann Europas und strebte danach, auch den dazu passenden Kaisertitel zu erwerben. So nahm er Kontakt zur byzantinischen Kaiserin Irene auf, deren Vorgänger seit Jahrhunderten Kaiser gewesen waren. Möglicherweise war Irene bereit, Karl einen gleichberechtigten Anspruch auf den Titel einzuräumen, in Konstantinopel gab es sogar Gerüchte über Heiratspläne zwischen den beiden. Eine Annäherung der Großreiche scheiterte letztlich aber am Widerstand des oströmischen Adels. In Rom hatte Papst Leo III. wegen seines „unwürdigen“ Lebenswandels einen schweren Stand. Er war Ziel eines Anschlags, ihm sollten offenbar die Augen ausgestochen und die Zunge herausgeschnitten werden. Der Papst entkam jedoch und floh nach Paderborn. Dort hielt sich der mächtige fränkische König auf, mit dessen Vater schon ein Vorgänger Leos zu beiderseitigem Vorteil zusammengearbeitet hatte. Vielleicht sprachen Karl und Leo in Paderborn nicht nur über die erbetene Unterstützung des Geflohenen, sondern auch über eine Kaiserkrönung. Jedenfalls ließ Karl den Papst unter fränkischem Schutz nach Rom zurückbringen. Ein Jahr später traf er selbst dort ein, offiziell um den Vorwürfen gegen den Papst auf den Grund zu gehen. Dessen Gegner konnten keine Beweise vorlegen und mit einem „Reinigungseid“ Leos als Unschuldsbeweis war die Sache erst mal erledigt. Zwei Tage später, am 25. Dezember 800, krönte Leo III. Karl zum Kaiser – dass der darüber überrascht oder sogar verärgert war, wie in zeitgenössischen Quellen behauptet, wird heute als wenig glaubwürdig angesehen.
Karl wurde der Kaisertitel mehr als 300 Jahre nach der Absetzung des letzten weströmischen Kaisers übertragen. Er übernahm damit die Führungsrolle in der „lateinischen“ bzw. katholischen Kirche und nahm eine Vormachtstellung gegenüber dem Papst ein. Die Byzantiner zögerten lange mit der Anerkennung, letztlich gewöhnte man sich aber an das Bestehen zweier Kaiserreiche im christlichen Europa. Die Übertragung der römischen Herrschaft auf das Fränkische, später auf das Ostfränkische Reich bzw. dann das Heilige Römische Reich der römisch-deutschen Kaiser war für die europäische Geschichte von außerordentlicher Bedeutung. Karl der Große selbst wurde schon in zeitgenössischen Quellen als „Vater Europas“ bezeichnet und nimmt bis heute im kollektiven westeuropäischen Bewusstsein eine herausragende Stellung ein.
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