Die Kritik an der Kirche läutet in Deutschland die Reformation ein
Anfang des 16. Jahrhunderts war die Unzufriedenheit über den Zustand der Kirche in Deutschland weit verbreitet. Besonders abstoßend empfanden viele den Reichtum und das Finanzgebaren der hohen Geistlichkeit. Der sogenannte „Ablasshandel“ wurde z. B. systematisch ausgebaut: Man konnte jetzt Ablässe, also Strafmilderungen oder -erlasse für Sünden, sogar für Verstorbene bzw. deren „Seelen“ im Fegefeuer erreichen. Dazu musste man nur einen Geldbetrag bezahlen, bekam dann einen vorgedruckten Ablassbrief und verschaffte so sich selbst oder Verwandten der gezahlten Summe entsprechend Vergünstigungen im Jenseits. An dem Ablasshandel war z. B. Albrecht von Brandenburg beteiligt. Dieser, bereits Erzbischof von Magdeburg und Bischof von Halberstadt, wollte mit 24 auch noch Erzbischof von Mainz werden. Eine solche Ämterhäufung war kirchenrechtlich eigentlich verboten, doch der Papst erteilte eine Ausnahmegenehmigung – gegen eine hohe Geldzahlung. Dafür musste Albrecht Schulden aufnehmen, und für deren Begleichung traf er mit dem Papst eine Abmachung: Beim Verkauf von Ablassbriefen ging die Hälfte der Einnahmen nach Rom und wurde etwa für den Bau des neuen Petersdoms verwendet. Die andere Hälfte teilte sich Albrecht mit den Ablasspredigern. Einer von ihnen war Johann Tetzel, der mit Sprüchen wie “Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt“ auch in der Nähe von Wittenberg für den Kauf der Papiere warb. Martin Luther, Ordensgeistlicher und Professor in Wittenberg, fiel auf, dass immer häufiger Kirchgänger fernblieben und stattdessen ihr Geld in anderen Städten für Ablassbriefe ausgaben.
Deshalb schrieb er am 31. Oktober 1517 einen Brief an Albrecht von Brandenburg und fügte 95 Thesen auf Latein bei, in denen er den Reichtum der Kirche und vor allem den Ablasshandel kritisierte. Dieser sei zwar für die Kirche ein „gutes Geschäft“, bringe den Gläubigen jedoch keinerlei Vorteile, sie wiegten sich in falscher Sicherheit. Luther war der Meinung, es gebe nur eine Möglichkeit, „ins Himmelreich einzugehen“: Man müsse für seine Sünden persönlich Buße tun und sich Strafen, Tod oder Hölle aussetzen. Nachdem eine Antwort des Erzbischofs ausblieb, gab Luther Exemplare seiner Schrift an Bekannte weiter, die sie eigenmächtig veröffentlichen ließen. Ob die Thesen in Wittenberg von Luther auch an eine Kirchentür genagelt wurden, ist in der Wissenschaft umstritten. Zu seinen Lebzeiten sind weder von ihm noch von anderen Reformatoren Aussagen dazu überliefert, von einem Thesenanschlag wurde erstmals nach Luthers Tod öffentlich gesprochen. Unabhängig davon war die Wirkung in Deutschland jedenfalls gewaltig, denn Luther hatte einen Nerv der Zeit getroffen. Innerhalb eines guten Jahres erschienen 15 verschiedene Drucke der Thesen auf Hochdeutsch – die Reformation hatte begonnen.
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